Auf Initiative der AG Gender/Queer Studies und Medienwissenschaft hat die Gesellschaft für Medienwissenschaft auf ihrer Jahrestagung im September 2019 diese Resolution diskutiert und verabschiedet:
Gegen Antigenderismus in der Wissenschaft und darüber hinaus
Antigenderismus zeigt sich in den letzten Jahren in verschiedenen Formen und Graden. Gender Studies als Fach werden selbst in der gemäßigten überregionalen Presse angegriffen, die Forschungen verdreht und selektiv falsch dargestellt, um ihre angebliche Nicht-Wissenschaftlichkeit zu demonstrieren. Neben diesen antigenderistischen Diskursen werden auf einer realpolitischen Ebene Gender Studies durch gezielt abwertende Anfragen an Länderparlamente unter Legitimationsdruck gesetzt.
Immer häufiger erleben wir zudem Formen der Kommunikation, die nicht mehr nur die Gender Studies allgemein, sondern zunehmend auch Forschende direkt angreifen. Lehrende und Forschende im Bereich der Gender Studies werden öffentlich diffamiert und persönlich mit Drohgebärden überzogen. Dies betrifft Wissenschaftler*innen in prekären bzw. befristeten Beschäftigungsverhältnissen besonders hart. Die gezielten Hetzkampagnen und Einschüchterungsversuche sind Angriffe auf ihre wissenschaftliche Arbeit, ihren ökonomischen Lebensunterhalt und ihre seelische Gesundheit. Wenn Akteur*innen einer Disziplin wie Gender Studies eingeschüchtert werden, steht auch die Freiheit medienwissenschaftlicher Forschung auf dem Spiel.
Rechte, populistische Parteien machen den Kampf gegen Gender Studies und Geschlechterentwürfe jenseits der Zweigeschlechtlichkeit zu einem ihrer zentralen Schauplätze. Die traditionelle heterosexuelle Familie und das Zweigeschlechtermodell werden mobilisiert, um auch die nationale Einheit als affektives Bindungsmodell zu installieren. In Folge verschiebt sich das gesellschaftliche Klima, im Backlash richten sich rechtskonservative Diskurse gegen Forschungen, die (nationalrassistische) Familien-, Geschlechter- und heteronormative Begehrensmodelle ins Zentrum ihrer kritischen bzw. dekonstruktiven Auseinandersetzung stellen. Häufig werden Angriffe gegen Gender Studies auch als Verteidigung der Neutralität der Wissenschaften gesetzt, um diese zu diskreditieren.
Die Ablehnung von Geschlechterforschung und kritischer Wissenschaft bekommt auch in anderen Disziplinen Aufwind. Besonders angegriffen werden intersektionale, auch postkoloniale Ansätze, die der Gleichsetzung von Feminismus und westlichen Werten ein differenziertes, komplexeres Bild von Feminismen*, internationalen queeren Bewegungen sowie mehrkategorialen Verflechtungen entgegensetzen. In diesem Zusammenhang lässt sich auch eine anti-intellektuelle Haltung wahrnehmen, die Wissenschaft in ihrer Aufgabe, Gesellschaft und Gegenwart in ihrer Komplexität (anzu-)erkennen, in Frage stellt. Das geht weit über die konkrete Einschüchterung einzelner Fächer hinaus und geht uns alle an. Es ist daher im Sinne der freien Wissenschaft wichtig, sich solidarisch mit den angegriffenen Wissenschaftler*innen zu verhalten und weiter für den Verbund aus Gender Studies, Queer Studies und Medienwissenschaft einzustehen. Nicht nur weisen diese Fächer eine lange gemeinsame Genealogie auf, sondern teilen sich Methoden und ein kritisches Selbst-und Wissenschaftsverständnis.
Als Fachgesellschaft Medienwissenschaft beobachten wir mit Besorgnis den Umschwung des Diskussionsklimas, in dem der öffentliche pluralistische und die Würde Einzelner achtende Diskurs aufgekündigt und zu einer entwertenden und teilweise sogar bedrohlichen Sprache gewechselt wird. Wir sehen ebenfalls mit Besorgnis, wie sich der Diskurs zu einem aus rechtem Populismus, Antiintellektualismus und Rassismus bestehenden toxischen Cocktail aus nicht immer einheitlich verursachten, aber sich verstärkenden Diskurssträngen vermischt und gegen Personen und ihre Forschung entlädt. Wir arbeiten der zunehmenden Verschiebung des Diskursklimas, welches Forschung im Bereich von Gender und Queer Studies durch öffentliche Diskreditierungen, institutionelle Drohungen oder Kürzungen unterwandert und/oder verunmöglicht, entschieden entgegen.
Um im Weiteren aus Perspektive der Fachgesellschaft besser mit der sich zuspitzenden Situation umgehen zu können, berufen wir im Vorstand der GfM eine Ansprechperson. Sie fungiert als Anlaufstelle und dient in erster Linie dazu, antigenderistische Angriffe und Vorkommnisse zu dokumentieren. Zu den Vorkommnissen zählen wir auch, wenn bekannt wird, dass Genderdenominationen gestrichen oder abgewandelt sowie Kürzungen vorgenommen werden. Es soll über die Einrichtung dieser Stelle signalisiert werden, dass die Fachgesellschaft nicht länger still beobachtet, sondern erste Schritte zur Solidarisierung unternimmt.
Den betroffenen Wissenschaftler*innen sprechen wir unsere Solidarität aus und bekräftigen, Ansätze einer intersektional aufgestellten Gender-und Medienwissenschaft zu unterstützen. Wir erachten diese als zentrales Element einer zeitgenössischen Medienwissenschaft. Daher treten wir auch weiter für Professuren und Institutionen ein, die die Genderforschung institutionell im Gefüge mit der Medienwissenschaft verankern.
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