Lena Eckert, Dr. phil. ist Genderwissenschaftlerin und lebt in Berlin. Sie ist derzeit wissenschaftliche Mitarbeiterin im Projekt gender*bildet und den Erziehungswissenschaften an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg. Nach ihrem Studium der Gender Studies und der Neueren deutschen Literatur an der Humboldt Universität zu Berlin und der Gender History an der Universität Essex (UK) promovierte sie 2010 an den Universitäten Leeds (UK) und Utrecht (NL) und arbeitete von 2010-2018 an der Fakultät Medien der Bauhaus-Universität Weimar. Sie versteht sich als trans- und interdisziplinär arbeitende Genderforscherin, deren Interessen vor allem in der Wissenschaftskritik, der Bildungsphilosophie und den Gender Media Studies und deren utopischen Potentialen liegen. Hier verknüpft sie ästhetische, genderwissenschaftliche, queertheoretische und post-anarchistische Perspektiven.
Gender, Heterogenität und Ästhetik in der Bildung – „Wer Bildung will, darf Bildung nicht wollen“
Ziel dieses Forschungsprojektes ist es, die mediale Bildungsforschung um die bisher vernachlässigten Aspekte von Atmosphäre, Affekt und Körper zu erweitern um so eine konzeptionelle Verschiebung der bisherigen bildungsphilosophischen Trennung von Rationalität und Affektivität zu bewirken. Das Untersuchungsfeld eröffnet dabei affekttheoretische Begriffsrekonstruktionen von Rationalität, Subjektivität und Alterität. Für eine nicht-dichotom gedachte Beziehung zwischen diesen Konzepten lässt sich queer- und gendertheoretisch argumentieren: Wenn man Subjektivität und Bildung als verschränkt durch affektive und materielle Felder konzeptualisiert, entsteht ein Möglichkeitsraum für eine neue Auffassung von Subjekt und Gemeinschaft – also der Beziehung zwischen Selbst, Anderem, Körper, Geschlecht und anderen Differenzkategorien.
In bildungstheoretischen Konzeptionen finden sich grundlegende Denkmodelle der Moderne wie Vernunft und Rationalität, Identität und Subjektivität, Einheit und Fremdheit, Emanzipation und Vereinnahmung. Vor diesem Hintergrund sind die Rollen von Affekt und Körper zu befragen und in die Konzeptionen mit aufzunehmen. Bisher wurde dies vernachlässigt und stellt ein Desiderat auch in der gendertheoretisch informierten Bildungsforschung dar. Ich möchte mit meinem Projekt diesem Anspruch nachgehen und das bildungstheoretische Feld auf die Möglichkeiten einer konzeptionellen Umdeutung dieser zentralen Denkmodelle hin prüfen. Im Kontext einer neo-liberalen Universität stellt dies jedoch eine besondere Herausforderung dar, da in aktuellen Debatten, die sich mit neuen (konstruktivistischen oder neuropsychologisch-informierten) Didaktiken beschäftigen, die Schlagworte des „Lebenslangen Lernens“ und der „Selbststeuerung“ und deren Individualisierungstendenzen kritisiert werden.
Kann es sein, dass eine Integration von Atmosphäre, Affekt und Körper in die Bildungsforschung von eben diesen Tendenzen vereinnahmt werden kann? Einsatzpunkt dieser Untersuchung ist vorrangig die Frage nach der Möglichkeit einer systematischen Umarbeitung affekt- und körperblinder anthropologischer Bildungstheorien und deren konzeptioneller Grundlagen im Sinne einer differenztheoretischen Auffassung von Gender und Heterogenität. Dabei geht es nicht nur um eine thematische Verschiebung der Beziehung von Rationalität und Affektivität, sondern auch um eine vorsichtige Evaluation möglicher Assimilierungstendenzen neo-liberaler Aneignungsformen kognitiver, affektiver und körperlicher Phänomene. Meine Überlegungen sollen nicht nur zu einer Verschiebung und Verqueerung der pädagogischen Anthropologie in Hinblick auf Affekt, Körper, Raum und Atmosphäre beitragen. Auch die Begriffe der Rationalität, der Anerkennung und der Verantwortung sollen Möglichkeiten der Neu-Konzeptionalisierung öffnen und in Hinblick auf gender- und queertheoretische Interventionen formulieren.
Monographien
Eckert, Lena, Birgit Bütow und Franziska Teichmann (2016) Akademische Fachkulturen als Ordnungen der Geschlechter. Praxeologische Analysen von Doing- Gender in der Lehre. Opladen: Verlag Barbara Budrich.
Nach wie vor ist die Frage nach Gleichstellung der Geschlechter auch in Bildung und Wissenschaft ein ungelöstes Problem: 2014 waren 22% der Professuren in Deutschland mit Frauen besetzt. Mit welchen langfristigen Strategien und Herangehensweisen kann dieses Problem bewältigt werden? Die Autorinnen greifen die akademische Lehre als einen wichtigen Bereich heraus. Anhand theoretischer und empirischer Analysen wird aufgezeigt, wie Doing-Gender-Prozesse in der Lehre maßgeblich durch die Fachkulturen mitbestimmt werden..
Eckert, Lena (2016) Intersexualization. The Clinic and the Colony . New York: Routledge.
Since the 1970s, research into ‘Intersex’ has been a central fascination for feminist theorists seeking to make arguments about how men and women are created as social/gender categories. Intersexualization: The Clinic and the Colony takes the case of Olympic runner Caster Semenya as a starting point to explore the issue of determining sex, and the ways in which intersexuality is a ‘threat’ to the distinction between men/women, homosexuality/heterosexuality and white/black.
By focusing on the 1950s and the 40 years after, Eckert shows how what she calls intersexualization began in psycho-medical research at the Johns Hopkins Hospital in Baltimore and UCLA, and has from there spread into cross-cultural anthropological accounts conducted in Papua New Guinea and the Dominican Republic. With cross-cultural intersexualization having been largely neglected in recent literature on intersex, this timely volume describes how such intersexualization derives from the combination of medicalization and pathologization through two crucial parts. The first part, “The Clinic,” describes historical psycho-medical material engaging with hermaphroditism ranging from Greek Mythology up to today. This is followed by “The Colony,” which analyzes, in several close-readings, cross-cultural anthropological, sexological and psychoanalytical accounts contributing to cross-cultural intersexualization.
Enclosing a wide range of inter- and transdisciplinary approaches to heteronormative and dichotomously organized frames of knowledge and organization, this volume is essential reading for upper-undergraduate and post-graduate students within the fields of gender studies, social studies of medicine, anthropology,science and technology studies, cultural studies, sociology, and history of medicine.
Herausgaben
Czerney, Sarah, Lena Eckert und Silke Martin (eds) (2020) Mutterschaft und Wissenschaft. Über die (Un-)Vereinbarkeit von Mutterbild und wissenschaftlicher Tätigkeit. Wiesbaden: Springer.
Dieses Buch versammelt Stimmen von Wissenschaftlerin*innen, die sich in sehr persönlichen Texten mit dem Thema „Kinder haben oder nicht haben (wollen)“ auseinandersetzen. Dabei kreuzen sich Identitätspositionen verschiedener Herrschaftsverhältnisse und führen zu Kollisionen im Privaten und Öffentlichen: Die Autor*innen schreiben über ihre Erfahrungen als Selbstoptimierer*innen, Professor*innen, Aktivist*innen, Haushälter*innen, Partner*innen, Pendler*innen, Töchter, Lebenskünstler*innen, Jongleur*innen und Feminist*innen und über die (Un)Möglichkeiten, all das auf einmal zu sein. Darüber hinaus thematisieren und hinterfragen sie auf vielfältige Art das noch immer vorherrschende Mutterbild in Deutschland. Die Texte kommen aus verschiedenen wissenschaftlichen Disziplinen – aus MINT-Fächern ebenso wie aus Geistes- und Sozialwissenschaften sowie aus der Kunst. Die drei Herausgeberinnen sind in der Wissenschaft tätige Mütter. In diesem Buch geht es um die gemeinsame Auslotung verschiedener Erfahrungen von privaten und professionellen Aspekten im Leben von (Nicht-)Müttern, die in der Wissenschaft tätig sind: „Denn das ist es, was uns auszeichnet: die sich gegenseitig ausschließenden Idealisierungen und Ideologisierungen beider Positionen. Nicht die Unvereinbarkeit der Tätigkeiten, sondern die Unvereinbarkeit der zwei sehr unterschiedlichen materiell-diskursiven Choreografien ist es, die (potentielle) Mutterschaft und Wissenschaft gegeneinander ausspielt.“ Das Spannungsfeld, in dem Wissenschaftler*innen leben, die auch (oder noch nicht oder nie) Mütter sind, ist komplex.
Eckert, Lena und Silke Martin (eds.) (2016) Schöner Lehren: gegendert und gequeert. Marburg: Schüren.
Was kann es heißen, gendersensibel und diversitygerecht in den Medienwissenschaften zu lehren? Welche Didaktiken lassen sich anwenden und wie können Methoden umgesetzt werden? In diesem Sammelband beschäftigten sich Lehrende der Medienwissenschaften mit diesen Fragen und entwerfen beispielhaft Lehranleitungen für ihre eigenen Seminare in der medienwissenschaftlichen Lehre. Orientiert an einer eineinhalbstündigen Seminarsitzung erklären die Lehrenden, wie sie didaktisch vorgehen und eine Seminarsitzung gestalten. Diese Modulbausteine werden dabei nicht nur in ihrer Entstehung, Hospitation und Überarbeitung reflektiert, sondern es wird ein besonderes Augenmerk auf den Entstehungsprozess gelegt. Darüber hinaus führen die Autor*innen ein gemeinsames Gespräch, in dem sie gender- und diversitygerechte Lehre thematisieren und den eigenen Lernprozess bezüglich des Lehrens sowie die eigene Auseinandersetzungen mit queer- und gendertheoretischen Fragestellungen reflektieren.
Eckert, Lena und Silke Martin (eds.) (2014) FilmBildung. In der Bremer Reihe. Marburg: Schüren.
Die unterschiedlichen Beiträge dieses Bandes haben eine gemeinsame Idee: sie stellen die Frage, wie Filmvermittlung an Studierende, Lehrer_innen, Erzieher_innen und andere Personen vermittelt werden kann. Wie versetzt man Personen ohne Vorkenntnisse bzw. aus unterschiedlichen Berufsfeldern in die Lage, Kindern Film zu vermitteln? Kindern zu zeigen, was das Besondere an der Filmwahrnehmung ist, wie Filme funktionieren, wie Filme gemacht werden und wie Filme die Sicht auf die Welt verändern? Dieser Band ist aus einem Master-Studienmodul an der Bauhaus-Universität Weimar entstanden.
Davy, Zowie, Julia Downes, Lena Eckert, Natalia Gerodetti, Dario Llinares und Ana Cristina Santos (eds.) (2008) Bound and Unbound: Interdisciplinary Approaches to Genders and Sexualities. Cambridge: Cambridge Scholars Publishing.
This edited book has developed from the themes, connections and disjunctures that emerged from a two-day postgraduate conference on Thinking Gender: The Next Generation in 2006 at the University of Leeds. The editorial collective is comprised by Zowie Davy, Julia Downes, Dario Llinares, and Ana Cristina Santos from the Centre for Interdisciplinary Gender Studies (CIGS), University of Leeds, Lena Eckert from the University of Utrecht, and Natalia Gerodetti, who is a Senior Lecturer at Leeds Metropolitan University.