Über die AG

Der Zusammenhang zwischen Gender und Medien lässt sich in vielfacher Weise reflektieren und unter zahlreichen Perspektiven erforschen. Medien und mediale Konstellationen haben einen erheblichen Anteil an der Herausbildung und Perpetuierung, aber auch an der Verschiebung von Geschlechterordnungen. Die Produktion von Geschlechterordnungen bzw. Geschlechterwissen ist ohne Medien unmöglich. Insofern die mediale Herstellung von Geschlechterwissen allerdings immer nur vorläufig, heterogen und an ihr jeweiliges Medium gebunden bleibt, stellt die Schnittstelle von Gender und Medien einen höchst produktiven Knotenpunkt für die – stets ihre Prämissen reflektierende – Analyse der Entstehung und De-/Stabilisierung von Geschlecht wie auch von Medien dar. Andersherum strukturieren Geschlechtervorstellungen mediale Anordnungen: Geschlecht ist nicht nur Effekt von Medien, sondern es sind Medien, die durch Geschlechtermodelle und -bilder bestimmt sind. So lassen sich zum Beispiel binäre Aufteilungen in Sender und Empfänger nicht ohne das normative Wissen von Zweigeschlechtlichkeit verstehen.

Gender Studies und Medienwissenschaft unterhalten seit vielen Jahren ein enges Verhältnis. Beide Fächer sind jung und interdisziplinär sowie inhaltlich, aktuell und historisch eng miteinander verbunden. In den Gender Media Studies sowie einer queerfeministischen Medienwissenschaft werden nicht nur Inhalte, sondern auch neue Formate des Wissens und der situierten Wissensproduktion erdacht. U.a. die New Materialisms haben zudem in den letzten Jahren aus feministischer Perspektive Konzeptionen aus den Science Studies eingebracht, denen sich heute zahlreiche Forschungen unserer aktiven Mitglieder*innen widmen. Die Trennung von Natur und Kultur, wie sie seit jeher die Gender Media Studies kritisch verhandelt, wird aktuell als ein Feld aus Ökologien und Nature_Cultures beforscht, das auch nicht menschliche Akteur*innen miteinbezieht, sich also in einem nicht nur menschlichen Geschlechterdenken manifestiert. Dies verknüpft sich vielfach mit ökologischen Anthropozändebatten, die die Grenzen von Natur- und Geisteswissenschaften überschreiten.

In der AG Gender/Queer Studies und Medienwissenschaft, die 2008 auf der Jahrestagung der GfM in Bochum gegründet wurde, geht es darum, den Zusammenhang zwischen Gender und Medien, wie er sich etwa in der Medialität geschlechtlicher Ordnungssysteme und/oder den geschlechtlichen Implikationen von medialen Konstellationen abzeichnet, methodisch, theoretisch und analytisch zu erforschen. Von den Technologien des Geschlechts (Teresa de Lauretis) ausgehend, die in der Folge der feministischen Filmtheorie hauptsächlich das Kino betrafen, lassen sich heute zahlreiche relationale Verschränkungen von Geschlecht und Medien beobachten. Dabei ist dieser Nexus aus Gender und Medien erneut auch im Bereich digitaler Medien und sozialer Netzwerke politisiert worden, etwa in Debatten um Hate Speech und in #Hashtag-Kampagnen.

Eine Betonung der Relevanz von Gender Studies für die Medienwissenschaft und vice versa ist heute sowohl aus wissenschaftlicher wie auch aus politischer Sicht geboten: Gender Studies stehen wieder zur Disposition und mit ihnen ihre Schwesternwissenschaft, die Gender Media Studies, wie wir sie in unserer Fachgesellschaft vertreten. Der existenzielle Zusammenhang von Subjektivierung und Medialisierung, von Individuation und Vergeschlechtlichung ist hochaktuell und wird auch durch die rezenten medialen Verschiebungen neu debattiert. Zudem sehen wir uns einem weltweiten konservativen bis reaktionären Backlash ausgesetzt, der im Kern die Gender Studies wie auch die Gender Media Studies in Frage stellt. An den Angriffen auf die und sogar Verboten der Gender Studies zeigt sich, dass Geschlecht zentraler Schauplatz (neo-)rechten Gedankenguts und Machtbestrebens ist. Der Angriff auf Wissenschaftsfreiheit und Existenzweisen operiert (erneut) mit vielfältigen, teilweise in sich widersprüchlichen Strategien des Rückbaus des Geschlechterdenkens jenseits von Zweigeschlechtlichkeit und Heteronormativität. Medien spielen dabei eine zentrale Rolle, weswegen das Denken des Zusammenhangs von Geschlecht und Medialisierung für das Verständnis gesellschaftlicher, subjektiver und kultureller Prozesse nach wie vor und um so mehr von entscheidendem Gewicht ist. Es zeigt sich, dass Gender Media Studies gerade heute eine wichtige Position bilden, plurale und demokratische Gesellschaften zu verteidigen.

Im Denken der Gender Media Studies werden Verschränkungen mit Postcolonial Studies, Black Studies und Disability Studies produktiv gemacht. Differenzen und Intersektionen wie race, sozialer Hintergrund, soziale Differenz, Bildung und Klasse sind in den Aktivitäten der AG stets präsent und nicht sekundär zu Geschlechterdifferenzen. Dies gilt es vor allem in einer Zeit zu betonen, in der auch Queerfeminismus massiv gegen Geflüchtete und als anders Markierte mobilisiert wird. Gender Media Studies sind einem kritischen Denken gesellschaftlicher Prozesse verpflichtet. Sie beobachten und befragen Vergeschlechtlichungen und deren politische Aushandlungen. Sie tragen in Zeiten massiver Umwälzungen der medialen Lebensbedingungen durch Modelle, Analysen und Methodenentwicklung dazu bei, gesellschaftliche und subjektive Entwicklungen – Emanzipationen – zu ermöglichen.

Sprecher_innen:

Josefine Hetterich (Goethe-Universität Frankfurt)

Philipp Hohman (Ruhr-Universität Bochum)

Francis Wagner (Universität Wien)

Kontakt: sprecher_innen (at) genderqueermedien.org